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Faszinierende Kombination aus Kunst und Handwerk

Langener Zeitung, 23.12.2002

Im Tiffany-Atelier von Audrey Otterbein entstehen die vielfältigsten Objekte / Glaskunst-Kurse sind speziell bei Frauen stark gefragt

Langen (dd) – Jeder, der Tiffany hört, sieht Lampen aus farbigem Glas im Jugendstil vor seinem inneren Auge. Kitschig ist oft der erste Eindruck. Doch so muss Tiffany nicht sein. Beim Betreten der Glaswerkstatt von Audrey Otterbein, einer der wenigen Tiffany-Künstlerinnen in Deutschland, trifft man auf die Moderne. Eine Tiffany-Lampe ist hier auf den ersten Blick nicht zu finden. Stattdessen sieht sich der Besucher einzelnen großen Objekten, so mancher Uhr und diversen Accessoires aus buntem Glas und Glasperlen gegenüber. Tiffany ist nur ein Teil des Angebotes der gebürtigen Langenerin, die selbst von Glasgestaltung spricht. Denn über die Tiffany-Technik hinaus kann sich der Interessierte in ihren Kursen auch an Mosaik und in der Herstellung von Glasperlen versuchen.

Vor mehr als 20 Jahren begann ihre Leidenschaft für die Glasgestaltung, als sich Audrey Otterbein ein Buch mit der Anleitung der Tiffany-Technik, der so genannten Kupferfolientechnik, kaufte. Die Kombination aus Kreativität und handwerklichem Geschick faszinierte die gelernte Zahntechnikerin. Bereits wenige Jahre später gab sie ihre ersten Kurse an der Volkshochschule, die sich über die Jahre als feste Bestandteile des VHS-Angebotes etabliert haben.

Im Laufe der Zeit nahm die Idee Gestalt an, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Ausgebuchte Kurse sprachen für sich. Doch eigentlich hat sich die Mutter zweier Kinder damals gar keine Gedanken über die potenzielle Nachfrage gemacht. „Ich wollte meinen Traum verwirklichen und eröffnete schließlich 1991 die Glaswerkstatt“, berichtet Audrey Otterbein. Angefangen hat sie mit Tiffany, aber schon bald erweiterte die Künstlerin ihr Angebot um Mosaik und einige Jahre später um die Glasperlenherstellung. Als kreativer Mensch bleibt sie nicht stehen, sondern probiert immer neue Techniken aus. Nur eins bleibt erhalten, und das ist das Material – das Glas.

Bekannt war die Glasherstellung schon weit vor Christi Geburt. Im 15. und 16. Jahrhundert hielten die farbigen Glasfenster Einzug in die Architektur und bekamen so einen Gemäldecharakter. Bleiverglasung hieß die Technik, die Louis Comfort Tiffany, Maler, Kunsthandwerker und Sohn der berühmten New Yorker Juwelierfamilie, Ende des 19. Jahrhunderts revolutionierte. Nach der Rückkehr von seiner Europareise war er voll des Lobes für die kunstvollen Glasfenster. Diese inspirierten ihn dazu, die heutige Kupferfolientechnik zu entwickeln. Aus Erfinder schuf er zahlreiche Werke und prägte maßgeblich die Epoche des amerikanischen Jugendstils.

Die stetig steigende Nachfrage nach Kursen zeigt, dass Glasgestaltung keineswegs altmodisch, sondern bei allen Generationen gefragt ist. Berufstätige, Mütter, Hausfrauen oder Rentnerinnen – Stellung und Alter der meist weiblichen Teilnehmer sind bunt gemischt. Im vergangenen Jahr waren sogar einige wenige Männer darunter. Besonderen Spaß bereiten der 41jährigen die Kinderkurse, denn: „Kinder sind so unkompliziert. Sie denken nicht lange über Farbkombinationen nach, bevor sie mit der Gestaltung beginnen. Und trotzdem haben sie immer harmonische Ergebnisse erzielt“, gibt die Kursleiterin zu bedenken.

Die Teilnehmer spüren, dass Audrey Otterbein mit Leib und Seele bei der Arbeit ist. Die Kurse stellen für sie zugleich eine Art Ideenpool dar. „Neue Ideen kommen nicht auf Knopfdruck. Sie müssen sich entwickeln. Das passiert bei der Arbeit an einem anderen Projekt, beim Hilfestellung geben im Kurs oder auch im Schlaf. Wenn ich an einer neuen Ausstellung arbeite, dann beschäftige ich mich rund um die Uhr damit – auch im Unterbewusstsein.“

Fünf Tage die Woche steht den Kreativen die Tür zur Glaswerkstatt im Wirtschaftszentrum Neurott für Workshops offen. Außerdem umfasst das Angebot zahlreiche Anfänger- und Schnupperkurse in allen Techniken. Auch am Wochenende ist Audrey Otterbein oft mit Kursen, Ausstellungen und Kunsthandwerkermärkten oder mit der Auftragsfertigung eingespannt. Durch die jährliche Organisation eines kleinen Kunsthandwerkermarktes erweitert sie stetig ihr Netzwerk und hält den Kontakt zu verschiedenen Kunsthandwerkern der Region. Viel Zeit für die Familie bleibt da oft nicht, aber die engagierte Künstlerin und Mutter meistern auch diese Herausforderung. Vermutlich ist das Thema der diesjährigen Ausstellung der Gruppe „Frau und Kreativität“ im Alten Rathaus in Langen auch auf diese Überlegung zurückzuführen. Unter dem Motto „Nahtstelle“ zeigte Otterbein als eine von neun Langener Künstlerinnen ihre Exponate.